Ein Wasserfall
Ein Wasserfall drängt einfach weiter. Denkt nicht nach.
Überwältigend war das Spektakel an der Jonte-Schlucht, genauso an der Tarn-Schlucht. Es platschte und klatschte, rauschte und sprühte und zischte, beanspruchte viel Raum und hörte niemals auf zu tun, wozu der Wasserfall da ist: Den Fluss von einer Ebene in eine nächste, eine tiefere zu befördern, um ihn dann einfach weiterfließen zu lassen.
Dabei macht es dem Wasser nichts aus, dass Steine es hindern. Diese umgeht es, ohne darüber nachzudenken. Es bahnt sich seinen Weg und im Lauf der Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrzehntausende schleift es sogar Felsen ab und gestaltet sich sein Bett noch gefälliger. Ganz selbstverständlich gibt es sich der Gravitationskraft hin.
Ich bin im Lauf meiner Jahrzehnte müde geworden. Ich spüre in mir das Bedürfnis, einen gefälligeren Weg zu gehen, mich nicht mehr aufhalten zu lassen, meiner Intuition, ja, meiner Bestimmung zu folgen, mich ihr hinzugeben – sobald ich nur weiß und spüre, was ich zu tun habe.
Ein Wasserfall drängt einfach weiter. Denkt nicht nach. Muss sich nie rechtfertigen, ist Sein von sich aus. Wenn die Klippe kommt, springt er einfach drüber und nimmt dabei von links und rechts noch Geröll mit; auch wenn größere Felsen kommen, fällt er weiter und weiter und weiter und bahnt sich seinen Weg. Etwas anderes kann das Wasser gar nicht. Seine Richtung ist durch physikalische Gegebenheiten festgelegt, es fällt hinunter, niemals rückwärts. Für mich übersetzt heißt das: Sein Abwärts im Weiterkommen ist mein Aufwärts im Weiterkommen. Weiterkommen will auch ich, mich hoch entwickeln, lebendig sein und meiner Bestimmung nach oben folgen.
Eigentlich habe ich den Wasserfall, die »Rush Hour des Lebens«, schon hinter mir. Habe kräftig geplatscht und geklatscht, habe gesprüht, gefunkelt und gespritzt, temperamentvoll in allen Lebensbereichen viel Kraft ausgeübt, und bin nun wohl in einer Lebensphase, wo der Wasserfall im Tal aufkommt und sich von da neu sortiert und in gemäßigteren Bahnen weiterfließt, bis er schließlich zu einem ruhigen, gemächlich dahinfließenden Fluss wird.
Doch das Bild gefällt mir nicht wirklich. Gemäßigt, ruhig. Gemächlich – ich?
Augenzwinkernd aus dem Alltag
Was assoziierst du mit einem Wasserfall? Rausch, Bedrohung, Leben? Schreib es mir gern in die Kommentare!
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Den Text „Unkenrufe“ habe ich aus meinem Südfrankreichroman „Und sonst nichts“ zur Verfügung gestellt.

Wer schreibt hier?
Irmgard Rosina Bauer ist Autorin von Lebens-Reisebüchern und Reiseerzählungen. In ihre Bücher verwebt sie ihre eigenen Lebens- und Reisegeschichten. Sie möchte Frauen Mut im Leben und zum Reisen machen.
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