Stringenter Hausputz
Kann ja nicht jeder …
Es gibt so viele Arbeitsmethoden, wie es Menschen gibt. Und doch ist die allseits als die beste gepriesene eben die:
1. Man setze sich ein Fernziel: Haus sauber
2. Man unterteile es in Grobziele: Schlafzimmer, Bad, Küche, Wohnzimmer sauber
3. Man definiere die Feinziele und beginne also: Schlafzimmer Betten machen, Klamotten aufräumen, Nachttische und Spiegelschrank abwischen, Bilderrahmen und Zierrate abstauben, staubsaugen.
Diese Methode ist gut durchdacht und wird, seit es Häuser gibt, von vielen Menschen praktiziert. Zugegeben, ich bewundere diese vielen Menschen ob ihrer Liebe zur Hausarbeit, doch was ist mit mir?
Auch ich beginne um neun Uhr im Schlafzimmer. Ich werfe schmutzige Socken und Unterhosen in den Wäschekorb, ich verleihe den Bettdecken adrettes Aussehen, dann folgt die Entrümpelung, vor allem die meines Nachtkästchens: Das Tagebuch ohne den gestrigen Eintrag klappe ich zu und stecke es in die Schublade. Die Zeitschrift von der vorletzten Woche mit der ansprechenden Headline habe ich immer noch nicht gelesen, also liegenlassen. Soll ich das Buch mit dem reizvollen Titel «Frauen setzen sich neue Ziele» nicht langsam wieder ins Wohnzimmerregal stellen, bis ich wirklich Zeit habe, es dranzunehmen? Eigentlich interessiert es mich brennend. Was stand nochmal auf dem Buchumschlag? Frauen brauchen neue Prioritäten – ja, das sollte ich dringend lesen. Und du stehst da und staubst Schlafzimmerspiegel ab, während draußen in der Welt wichtige Erkenntnisse ohne dich veröffentlicht werden! Wenn nicht jetzt, wird das Buch noch acht Wochen da liegen, weil du abends zu müde bist.
Ist ja unheimlich fesselnd, hier auf Seite siebenundachtzig! Ganz plötzlich schlägt der Kirchturm zwölf an. Mist. Um eins kommen die Kinder von der Schule heim. Ich hatte versprochen, ihnen an meinem geschäftsfreien Tag etwas Gutes zu kochen. Wobei … ihr Appetit nach der Schule ist eigentlich kritiklos. Nudeln, ja, Nudeln sind immer im Haus und machen satt. Und es reicht, wenn ich um halb eins das Wasser aufsetze.
Hurtig das Buch weggelegt und die herumliegenden Klamotten in den Schrank geschoben, den Schreibsekretär zugeklappt, staubsaugen kann ich ja am Nachmittag noch. Das Bad schaffe ich gerade noch, die Armaturen, okay, die Fliesen werden doch bei jedem Duschen wieder kalkig, das reicht auch nächste Woche. Der Spiegel geht diesmal noch so, bleiben Waschbecken, Wanne und Klo, schnell noch mit dem nassen Handtuch den Boden – und bevor mir noch ein weiterer Reim einfallen kann, klingelt es an der Tür. Dominik, sechzehn, hatte früher aus.
»Was gibt’s zu essen?«
Mir wird kurz heiß. Hatte ich nicht versprochen, vorgehabt, die Verpflichtung – hey, das wäre ja noch schöner! Die Kinder meine Chefs? Die Liebe sei das herrschende Element! »Mein Lieber, ich habe mich überschätzt, könntest du mal das Nudelwasser aufsetzen?«
Und Dominik lächelt verschmitzt: »Soso, du hast dich wieder mal überschätzt?«
Die Teller vom Vorabend in der Küche stören Dominik überhaupt nicht. Mit Hingabe verfeinert er die Tomatensoße aus der Packung, Sahne, Butter und Kräuter gibt er rein, es duftet schon herrlich, sogar Zwiebeln hat er geschnitten und angedünstet, während ich nochmal in dem interessanten Buch – nun ja, als die drei anderen kurz nach eins hereinstürmen, duftet es herrlich, Dominik hat den Tisch gedeckt. »Erziehung gelungen!«, denke ich stolz, sogar einen knackigen Gurkensalat hat er hingehobelt. Dafür liest er schließlich nicht gerne und schlägt in Kochen und Lesen seinem Vater nach. Können ja nicht alle Menschen das Gleiche tun.
»Aha, Mama war zu Hause, gibt’s wieder Nudeln!«, bemerkt Markus, dreizehn, ebenfalls verschmitzt, als er in den Topf schaut und ihn auf den Tisch holt, und Julia, zwölf, die als erste zu essen beginnt, sagt:
»Wieso, Mamas Nudeln schmecken immer noch besser als die von Maggi!«
Und bevor sich noch das kollektive Unbewusste gegen mich erheben kann, verspreche ich, mit ihnen allen am Nachmittag Eis essen zu gehen und das Staubsaugen auf den Abend zu verschieben.
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Den Text „Stringenter Hausputz“ habe ich aus Das Buch für alle Tage zur Verfügung gestellt.

Wer schreibt hier?
Irmgard Rosina Bauer ist Autorin von Lebens-Reisebüchern und Reiseerzählungen. In ihre Bücher verwebt sie ihre eigenen Lebens- und Reisegeschichten. Sie möchte Frauen Mut im Leben und zum Reisen machen.
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