Über das Altern

    Was lag näher in meinem Alter, als mir im Angesicht meiner alternden Eltern über den Tod Gedanken zu machen?

    Wie sie früher doch kräftig waren, mir diktatorisch ihren Willen aufgezwungen hatten und bis vor kurzem keinen Widerspruch duldeten, sodass ich ihnen jahrzehntelang aus dem Weg gegangen bin!

    Und dann? Ihr Verfallen erschreckte mich. Ich konnte es nicht ertragen, eine Woche mal nicht nach ihnen zu sehen. Wie sie sich schwertaten, von der Couch aufzustehen! Wie sich Mama auf den Einkaufswagen stützte, wenn ich mit ihr den Wocheneinkauf erledigte, den sie ohne Hilfe nicht mehr schaffen konnte.

    Wie sich Papa nur noch mit Rollator vom Haus wegbewegen konnte, und das allerhöchstens zehn Minuten am Stück.

    Plötzlich sagte ich spontan zu, wenn mein Vater, immer noch in harschem Tonfall, mir einen Gang über den Friedhof mit ihm befahl, um über die Grabpflege zu sprechen für das Grab, das sie sich ausgesucht hatten und über die Farbe des Granitsteins, den er sich wünschte.

    Plötzlich wollte ich noch ein paar alte Sachen klären, die ich Jahrzehnte weggeschoben hatte, einige Fragen stellen, schnell noch, solange sie noch lebte, an meine Mutter. Schnell noch, solange er noch sprechen konnte, an meinen Vater.

    Plötzlich switchte ich von der motzigen Tochter auf die besorgte um, die ihnen Wünsche erfüllte – vor wenigen Jahren noch hätte ich das abgelehnt.

    Und was war nun mit mir? Auch mein Leben war nicht mehr allzu jung, viele Vorhaben hatte ich durchsetzen können, aber andere würden nicht mehr durchführbar sein, weil auch meine Augen bereits schlechter geworden waren und auch meine Knie beim Niederbeugen schon schmerzten.

    Was war dann mit meinem Leben? Kann ich es dann, in vielleicht dreißig Jahren, wenn ich so alt bin, wie meine Eltern, als erfüllt bezeichnen, fragte ich mich. Oder werde ich Versäumnisse zu bedauern haben? Was bleibt übrig? Nach zehn Jahren? Nach zwanzig? Nach dreißig Jahren, wenn auch meine Enkel schon alt sein werden. Oder fünfzig Jahre weiter, wenn keiner auf der Welt mich mehr persönlich kennt?

    Zunehmend bedrückender wurden für mich die Besuche in meinem Elternhaus, doch gleichzeitig zunehmend anregender, was „meine letzten“ Jahre anbelangte, und sie lehrten mich: Dass ich nicht länger träume von schönen Dingen, sondern sie endlich ausführe – jetzt, wo noch Zeit ist.

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